Der Standard
Wiener Musikverein: Ein Tripelkonzert der Dankbarkeit
Das Ganze war auch eine schöne Abweichung von der Pessimismusnorm: Regieren gemeinhon Sorge-Statements zum hierzulande angeblich verschwindenden Nachwuchs, durfte man einmal im Wiener Musikverein die erfreulich erfolgreichen Aspekte der Instrumentalausbildung belauschen.
Eine Art violinistisches Tripelkonzert: Das Konservatorium der Stadt Wien lud ein, der Saal war voll, und es spielten — begleitet vom Symphonieorchester der Ausbildungsstätte unter der Leitung von Georg Mark — die Geiger Lidia Baich, Julian Rachlin und Nikolaj Znaider, welche das Konzert ihrem Lehrer Boris Kuschnir widmeten.
Sie sind natürlich keine Unbekannten mehr. Baich gewann im Vorjahr den EBU-Wettbewerb, Rachlin ist seit Jahren an der internationalen Spitze präsent, und Znaider hat im Vorjahr den Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel gewonnen. Über das gediegene Interpretationsniveau muß man sich denn auch nicht wundern, wenngleich: Unterschiede in der Qualität durfte man bemerken.
Waren bei Baich — sie spielte Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert — ein glänzender Ton und technische Tadellosigkeit zu hören, punktete Znaider mit herzhafter Attacke (Violinkonzert von Carl Nielsen). Bei Rachlin verschmolzen diese Aspekte allerdings auch noch mit einer anderen Qualität.
Er verfügt schließlich über ein untrügerisches Gefühl für Linien und das Aussingen von Tönen, weshalb man — ohne die anderen beiden juvenilen Viruosen zu beleidigen — behaupten wird dürfen, daß Rachlins Darbietung (Brahms‘ Violinkonzert) das Sahnehäubchen auf der Galatorte darstellte.
Der Standard (tos), 31. Jänner 1999